von Dr. Marc M. Batschkus

Ein Archiv kann für unterschiedliche Menschen etwas ganz Unterschiedliches sein. Von der Referenz bis zur Wiederverwertung, von der Monetarisierung bis zum Service für Kunden gibt es viele Perspektiven auf das, was ein Archiv ist und tut. Da die Perspektiven so verschieden sind, lohnt sich ein näherer Blick, um das Potential zu entdecken, das in diesem tatsächlich antikem Begriff verborgen ist.

Archivum war der Name, den die Römer einem Gebäude gaben, in dem Schriftrollen aufbewahrt wurden, die für die täglichen Geschäfte nicht mehr benötigt wurden. Obwohl wir keine Schriftrollen mehr verwenden, hat sich der Mechanismus kaum verändert. Die Dateien, die wir heute in ein Archiv bewegen, sind die, die für die tägliche Produktion nicht mehr benötigt werden. Das bedeutet, dass die Archivierung tatsächlich eine Migration darstellt. Dateien werden ins Archiv bewegt und anschließend von der Quelle gelöscht. Das ist bereits der Hauptteil der Definition eines Archivs und gleichzeitig eine Unterscheidung zur Sicherung (Backup), die Dateien dupliziert, die sich in Bearbeitung befinden. Ein Synonym für Archiv ist Daten-, Datei- oder Medienerhaltung, Begriffe also, die den langfristigen Charakter des Archivs betonen. 

Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, aber mehr davon später.

Warum archiviert man überhaupt Dateien? Archivieren bedeutet: eine Datenmigration vom Produktionsspeicher auf den Langzeit-Archivspeicher. Als Resultat wird Speicherplatz auf dem schnellen und kostspieligen Produktionsspeicher frei. Wenn alle abgeschlossenen Projekt archiviert werden, dann wird das Archiv zur „Einzigen Quelle der Wahrheit“ (Single Source of Truth) und damit zum einzigen Ort an dem man nach bereits vorhandenen Dateien sucht. Das allein kann unzählige Stunden einsparen, die für die Suche nach Dateien verwendet wurden, um Wiederverwendung zu ermöglichen oder die Daten wiederkehrender Kunden zu finden.

Beginnen sie mit der Planung für lange Sicht

Unabhängig davon, ob das Archiv für Videomaterial, digitalisierten Film, Fotos, Töne, Dokumente oder andere Dateien vorgesehen ist, Planung ist extrem wichtig, um für den jeweiligen Zweck und Workflow die beste Lösung zu finden. Zeit dafür zu investieren zahlt sich später mehrfach aus.

Da das Archiv ein langfristiges Projekt ist, sollten sie bedenken, wer damit jetzt und später zu tun hat. Bestimmte Fragen helfen dabei alle relevanten Beteiligten zu ergründen.

Alle Beteiligten und ihre jeweiligen Blickwinkel sollten zusammen kommen und ihr Input dokumentiert werden. Umso mehr Perspektiven von Beteiligten einbezogen werden, umso besser ist später die Unterstützung des Archiv-Projektes. Auch der Nutzen steigt durch mehrere Perspektiven. Denken sie weit voraus und spekulieren sie, was zukünftige Aufgaben, Änderungen des Arbeitsablaufs und neue Mitarbeiter angeht. Was muss an Metadaten einbezogen werden, was muss dokumentiert werden, damit es in der Zukunft sinnvoll und nützlich ist?

Use Cases/Anwendungsfälle und -Szenarien

Der effektivste Weg, um wichtige Faktoren für das noch nicht vorhandene System zu entdecken, sind Use Cases, also Nutzungsszenarien. Use Cases sind kurze Geschichten in denen sie detailliert beschreiben, wer was mit dem Archiv-System macht, um welche Aufgabe zu erfüllen.

Finden sie heraus wer alles das Archiv später betreiben und verwenden wird. Wer sind die Beteiligten? Was sind die Voraussetzungen?

Ein Use Case könne folgendermaßen aussehen:
Ein Mitarbeiter (beschreiben sie die Rolle oder Position) bekommt eine Aufgabe übertragen für die er (beschreiben sie die Medien und Dateien) benötigt. Er hat folgende Informationen zur Verfügung (beschreiben sie diese). Er sucht im Archiv nach Dateien, die für die Aufgabe passen. Er sucht nach (beschreiben sie genauer). Er durchstöbert den Archivkatalog und entscheidet, welche Dateien er wiederherstellen will (beschreiben sie wie). Er/jemand anderes löst den Restore-Vorgang aus. Einige Zeit später sind die Dateien wiederhergestellt (wo?) und werden benutzt (von wem?).

Versuchen sie mehrere dieser Szenarien zu erstellen und mit Details anzureichern. Es ist hilfreich und sinnvoll mit mehreren Kollegen zusammenzukommen, um über zukünftige Nutzungsszenarien und Details nachzudenken. Das wird ihnen zahlreiche Hinweise geben, was in Bezug auf Metadaten, Workflow und Dokumentation nötig ist, um das Archiv so einzurichten, das es der Firma am hilfreichsten ist.

Hilfreiche Hinweise, wie man einen Use Case schreibt, finden sich hier:
http://www.wikihow.com/Write-a-Use-Case

Archiv-Speicher

Wenn man die Geschichte von Speichermedien betrachtet, dann fällt die umgekehrte Relation auf zwischen ihrer Speicherdichte und der Lebensdauer. Während Inschriften in Stein Informationen für sehr lange Zeit erhalten, ist ihre Speicherdichte sehr gering. Festplattenspeicher hingegen ist am anderen Ende des Spektrums gelegen und besitzt ungeheurere Datendichte aber eine kurze Lebensdauer und ist abhängig von anderen Technologien, um ihn auszulesen. LTO Tape hat eine Lebensspanne von mehreren Jahrzehnten, aber auch das ist verglichen mit historischen Dimensionen noch kurz. Daher ist die Migration ein inhärenter Teil jedes digitalen Archivs. Bei LTO-Tape hilft dabei die Kompatibilität zu einer früheren Generation (bis zu LTO-7 sogar zwei frühere Generationen, LTO-7 liest noch LTO-5). Einzelne Hersteller bieten eine langfristige Nachkaufgarantie, die beträchtliche Flexibilität für Migrationen bietet. Derzeit und für die absehbare Zukunft ist LTO-Tape das einzige und bewährteste Archivmedium. Keine andere Speichertechnologie erreicht es in Bezug auf Speicherdichte, Haltbarkeit, Schreib-/Lesegeschwindigkeit und Preis pro TB Kapazität. Wahrscheinlich sind die günstigsten Cloud-Speicher-Angebote mit Tape hinterlegt. Zusätzlich ist die schiere Größe des globalen Marktes und seine Verwendung in der Finanzwelt, bei Versicherungen, Fernsehsendern, in der Wissenschaft etc. ein Indikator für die Weiterführung seiner Rolle in der Zukunft.

Ein Bericht zeigt, wie kritisch die Situation alternder analog Medien ist wie Video, Film und Audio, die digitalisiert und archiviert werden müssen, um weiterhin verwendbar zu bleiben.
 

http://www.dpconline.org/newsroom/not-so-new/859-new-dpc-tech-watch-report-preserving-moving-pictures-and-sound

Derzeit besteht die hauptsächliche Entscheidung für Archiv-Speicher zwischen Festplatten, Tape und Cloud-Speicher. Je nach Datenmenge, Nutzungsmuster und- dauer, Sicherheitsanforderungen und verfügbarem Budget haben diese Technologien ihre jeweiligen Vorteile.

Metadaten – der Schlüssel zum Archiv

Metadaten spielen eine zentrale Rolle, da sie den Schlüssel zum Archiv darstellen. Jahre nachdem Dateien archiviert worden sind, erinnert sich niemand mehr an Details wie Dateinamen.
Dann ist die einzige Option nach dem richtigen Stichwort, der Beschreibung oder einem Parameter zu suchen, mit anderen Worten, nach Metadaten. P5 Archive bietet zusätzlich die Möglichkeit visuell zu suchen, also Medienvorschauen und Proxyclips zu betrachten. Es gibt zwei Arten von Metadaten: deskriptive und technische.
Deskriptive Metadaten benötigen einen Menschen, der beschreibt, was in einer Szene zu sehen ist, welches Produkt gefilmt wurde an welchem Ort etc.

Technische Metadaten können das verwendete Kameramodell, das Objektiv, die Auflösung, der Codec etc. sein. Automatische Erzeugung von Metadaten (in Kameras, Rekordern oder beim Ingest) entwickelt sich schnell, wie beispielsweise die Erkennung der Einstellung (shot detection) in FCP X. Diese automatisch erzeugten Metadaten können sehr hilfreich sein. Zusätzliche deskriptive Metadaten sind – in den meisten Fällen – ein Muss. Durch den zunehmenden Einsatz von KI werden Algorithmen zunehmend deskriptive Metadaten beitragen.

In manchen Fällen ist noch eine dritte Art Metadaten erforderlich, administrative Metadaten wie beispielsweise Verwendungs- und Distributionsrechte.

Ein Metadatenschema ist die Zusammenstellung von technischen und deskriptiven Metadaten, die in einem spezifischen System verwendet werden, um schnelles Auffinden von Dateien zu ermöglichen. Diese Kombination kann sehr individuell sein, weil die den Anforderungen ihres Workflows und ihrer Firma dienen soll. Die von ihnen verfassten Use Cases sollten die nötigen Kategorien aufzeigen, die in ihrem eigenen Metadatenschema enthalten sein sollten.

Ein wesentlicher Aspekt von Metadaten ist Konsistenz. Konsistentes Beschreiben von archivierten Dateien in den jeweiligen Metadatenfeldern vergrößert den Wert des Archivs beträchtlich. Idealerweise sollte später jeder in der Lage sein Dateien leicht zu finden und wiederherzustellen. P5 Archive bietet anpassbare Metadatenfelder und-Menüs, um Metadaten zu verwenden.

–Ende von Teil 1, lesen sie auch Teil 2 —

Digitales Archiv und Archivierung – der Blick auf Ganze (Teil 1)
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